Lebensorientierung vs Erfahrungsarmut

Das sich die Welt schnell und global wandelt ist nichts Neues. Jeder von uns wird hier so seine eigenen Erfahrungen gemacht haben. Der eine mehr, andere weniger.

Während meiner langjährigen Tätigkeit in der stationären Jugendhilfe traf ich viele junge Menschen, die den rasanten Entwicklungsprozessen nur mit Mühe folgen können. Gerade die Schwelle des Einstiegs in unser Beschäftigungssystem ist nicht selten schwierig und desillusionierend.  Diese jungen Menschen wuchsen in einer Umgebung auf, welche ihnen wenig halt geboten hat.  Wichtige seelische Strukturen, wie Selbstwertgefühl oder  eine gesunde Ich- Identität sind nicht selten nur schwach ausgebildet. Bildungsangebote (Ausbildung, bildungspolitische Programme) haben häufig dieses „Innere“ von Jugendlichen nicht auf dem Zettel. Ein Scheitern dieser Gruppe von jungen Menschen  auf der Suche nach Sinnfindung und Lebensorientierung ist zum Scheitern vorprogrammiert.

„Wir haben inzwischen eine Gruppe von jungen [Menschen], die sich richtig abgehängt fühlt und sich aufgegeben hat. Es fällt vielen [jungen Menschen] schwer, eine Niederlage einzustecken und durchzuhalten. In dieser Situation bauen sie sich eine Gegenwelt auf und suchen nach Sündenböcken“ (Klaus Hurrelmann, ARD Interview 2007)

Diese Gruppe ist nur schwer in der Lage Selbstverantwortung zu zeigen, da sie kein „Selbst“ von sich haben. Lebenszuversicht und Selbstbewusstsein in der Persönlichkeitsentwicklung sind nur schwach ausgebildet. Aber ohne ein positives Gefühl für den eigenen Wert sind Menschen von innen gefangen und nicht frei, sich in andere einzufühlen, von ihnen aus  zu denken oder zu handeln. Eine schwach ausgeprägte Ich- Entwicklung ist nur bedingt belastbar und läuft permanent die Gefahr, in sich zusammenzubrechen. An diesem Punkt beobachte ich nicht selten Lethargie oder Gewaltausbrüche als häufige Reaktionen von Jugendlichen, als eine verkehrende, negativ gerichtete Art sich zu präsentieren und um wahrgenommen zu werden. Die wichtige Verbindung zwischen dem „Ich“ der Jugendlichen und ihrer Umwelt ist heftig ins Wanken geraten.

Die sozialpädagogische Imkerei knüpft hier an. Mit Hilfe der Bienen und der Arbeit mit ihnen sollen jungen Menschen darin unterstützt werden, diese Verbindung mit sich und ihrer Umwelt wieder zu beleben bzw. wieder herzustellen. Grundlegendes Ziel der Arbeit der Sozialpädagogischen Imkerei ist die Entwicklung eines postitiven Selbstwertgefühls, indem Freude und Stolz an der eigenen Leistung wieder erweckt wird.

Es sind augenöffnende Erfahrungen, wenn Du in einem Bienenstock schaust und all die Schritte lernst, die tausende von Bienen brauchen, um einen Teelöffel Honig zu produzieren.

Angela Webber über diese Erfahrungen:

 

Die Sozialpädagogische Imkerei sieht ihre Aufgabe darin, benachteiligten Jugendlichen (m/w) im Alter ab 15 Jahren mit Erfahrungsarmut und mangelnder sozialer Kompetenz im Bereich der Naturkenntnisse, Handwerkzeuge, des Gruppenlebens oder der attraktiven Alltagsbeschäftigung eine Unterstützung bei der Lebensorientierung und Sinnfindung zu geben.

Die Arbeit mit den Bienen soll den Jugendlichen mithilfe von Erfahrungen und unmittelbaren Umgang mit der Sache Kompetenz vermitteln. Durch ihr imkerliches Handeln werden Erfahrungen gesammelt und Selbstwirksamkeit vermittelt. Bestehende Fähigkeiten der Jugendlichen werden in einen produktiven Arbeitsprozess mit Ernstcharakter einbezogen.

Ich bin der Meinung, um die Beschäftigungsfähigkeit von Jugendlichen fördern zu können,  müssen Räume und Lebensbereiche einbezogen werden, die nicht unmittelbar der Berufsausbildung zugehörig sind. Ein Lernen in Lernräumen, welche nicht pädagogisch vorstrukturiert sind, eröffnet nach meiner Überzeugung neue Erfahrungsräume, Lebensräume und Rollendefinitionen.


Sozialpädagogische Imkerei

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2 Antworten

  1. Antje sagt:

    Toller Artikel ! mit gefällt besonders der letzte Abschnitt. Eine Bekannte von mir ist Lehrerin an einer Hauptschule und bietet ihren Schülern jetzt seit 2 Jahren einen Schulgarten, bei dessen Gestaltung geholfen werden kann und muss, was vielen von den Kindern ganz neue Ansätze im Umgang mit Leben gibt, Da dies aber nicht nur für Kinder wichtig ist, sollte man sich ein wenig schlau machen, um sein eigenes Leben nach ähnlichen Kriterien gestalten zu können und dein eigenen Horizont ständig zu erweitern. Sehr interessant dazu ist meiner Meinung nach http://www.leben-im-goldenen-wind.de

    LG Antje

  1. 13. November 2012

    […] Lebensoruentierung vs. Erfahrungsarmut Plugged- In Kultur vs. Bewegungsraum Natur […]